Weihnachten – das Fest der Liebe?! Trotz Trubel, Kommerz und der unvermeidlichen Hektik zum Jahresende schwingt doch für die meisten von uns noch etwas von dem Zauber mit, der in unserer Kindheit mit Weihnachten verbunden war. Was können wir heute als Erwachsene davon noch spüren? Wie können wir die Weihnachtszeit nutzen, um uns Raum zu geben, dass wir in Beziehung kommen mit anderen Menschen, die uns wichtig sind, und auch mit uns selbst? Darum soll es in diesem Artikel gehen.
Wir Menschen brauchen Beziehungen
Wir Menschen sind von unserer Natur her auf Beziehung ausgerichtet. Schon unsere Vorfahren lebten in Gruppen zusammen. Einerseits diente das ihrem Schutz (zum Beispiel vor gefährlichen Tieren), andererseits dem gemeinsamen Erkunden und Erobern der Umwelt (zum Beispiel bei der Jagd oder beim Besiedeln neuer Gebiete). Auch wenn wir heute längst nicht mehr so leben wie unsere Vorfahren in der Urzeit, so ist unsere psychische Ausstattung noch immer dadurch geprägt: Wir orientieren uns grundsätzlich an kleineren Gruppen von etwa 20 bis 30 Personen. Diese Gruppengröße können wir intuitiv erfassen, denn das war der „Stamm“, in dem auch unsere Vorfahren lebten. Sobald es um größere Gruppen geht – also praktisch immer in unserer modernen Kultur – müssen wir uns aktiv darum kümmern, diese größeren Strukturen und Gemeinschaften zu verstehen, in ihnen zu leben und zu arbeiten und sie mitzugestalten. Weil das oft anstrengend ist, und unser System sich nach der vertrauten „Stammesgröße“ zurücksehnt, versuchen wir dann, uns in kleineren, überschaubareren Gruppen zusammenzufinden.
Innerhalb ihres „Stammes“ gab es auch schon für unsere Vorfahren Menschen, die ihnen besonders nahe standen. Das war ihre Familie, die Menschen, mit denen sie viel Zeit verbrachten und die ihnen am Herzen lagen. Das ist heute noch so bei uns, auch wenn wir den Begriff der Familie mittlerweile weiter fassen können: Neben der biologischen Familie gibt es für viele von uns so etwas wie die „geistige Familie“ aus Gleichgesinnten, oder die „emotionale Familie“ aus Menschen, die uns besonders am Herzen liegen. Glückspilze sind die, bei denen diese verschiedenen Familien aus denselben Menschen bestehen!
Wir Menschen sind von Natur aus soziale Wesen und Beziehung ist eines unserer Grundbedürfnisse. „Beziehung“ bedeutet ein Gefühl von Gemeinsamkeit, Vertrauen, Nähe und Verbundenheit. Um gesund und glücklich zu sein und zu bleiben brauchen wir deshalb Menschen in unserem Leben, mit denen wir uns so vertrauensvoll verbunden fühlen. Das müssen gar nicht mal viele Personen sein – doch es sollte mindestens einen Menschen geben, den wir auch nachts um drei anrufen oder ansprechen könnten, wenn wir in Not sind. Eine weitere Möglichkeit, um herauszufinden, wer von unseren Freunden und Bekannten ein solcher „Beziehungs-Mensch“ für uns ist: Stell Dir die Frage „Würde ich mich trauen, eine Verabredung kurzfristig abzusagen?“ Wenn Du diese Frage mit „ja“ beantworten kannst, dann liegt das wahrscheinlich daran, dass Du Vertrauen hast, dass diese Person Dich und deine Gründe verstehen kann. Dass er oder sie Geduld mit Dir hat und es Dir nicht übelnimmt, wenn Du ihm erklärst, warum Du eure Verabredung nicht einhalten kannst. Und vor allem: dass Du die Verabredung nicht aus bloßem Pflichtgefühl einhältst. Das sind lauter gute Hinweise darauf, mit wem Du Dich gefühlsmäßig verbunden fühlst und wem Du vertraust.
Ein Mensch bildet in Deinem Leben eine Konstante, und das bist Du selbst. In diesem Leben wirst Du Dich sozusagen nicht mehr los. Eine interessante Frage ist deshalb: In welcher Beziehung stehst Du eigentlich mit Dir selbst? Kämpfst Du gegen Dich (oder gegen Teile von Dir selbst wie den „inneren Schweinehund“)? Oder bist Du gut Freund mit Dir und findest Dich im Großen und Ganzen ziemlich in Ordnung? Wenn Du Dich schon in diesem Leben nicht mehr los wirst, wäre es dann nicht eine gute Idee, wenn Du Dich selbst als Freund bzw. Freundin behandeln würdest?
Zutaten guter Beziehungen: Sicherheit und Verbundenheit
Was macht gute, tragfähige Beziehungen aus? Die Psychologieprofessorin Barbara Fredrickson, führende Forscherin auf dem Gebiet positiver Emotionen, bringt es auf den Punkt: Gute Beziehungen sind solche, in denen wir uns sicher und verbunden fühlen. Die Zauberformel heißt „safe & connect“: Sicher fühle ich mich mit jemandem, von dem ich nichts Böses erwarte, dem ich vertraue und der mit vertraut ist. Verbunden fühle ich mich, wenn ich mich darauf verlassen kann, dass wir die Welt ähnlich sehen und erleben. Dass wir ähnliche Werte wichtig finden und gemeinsame Ziele, vielleicht sogar eine gemeinsame Vision haben.
„Safe & connect“ beruht auf bestimmten Prozessen in unserem Gehirn. Diese können umso besser und stabiler ablaufen, je weniger Stress, Bedrohung und Unsicherheit wir erleben. Dann würde nämlich unser anderes Programm aktiviert, und das heißt „fight, flight or freeze“: Kämpfen, flüchten oder totstellen. Diese drei Reaktionsformen sind ebenfalls tief in unserem Hirn verankert. Auch Tiere verhalten sich übrigens unter Stress so, man braucht dazu also nicht mal das bewusste Denken.
Unser „Beziehungsprogramm safe & connect“ kann immer dann besonders gut laufen, wenn wir wenig Stress erleben und uns gerade nicht fragen, ob wir jetzt kämpfen, davonlaufen oder uns totstellen sollten.
Das Schöne ist: Wir können diesen Zusammenhang auch andersherum nutzen. Da wir von unserer Natur her soziale Wesen sind, tut es uns einfach gut, wenn wir uns mit anderen Menschen sicher und verbunden fühlen. Das reduziert unseren Stresspegel und lässt uns ruhig werden. Besonders wirksam ist dabei Körperkontakt. Vielleicht hast du schon mal vom „Kuschelhormon“ Oxytocin gehört? Dieses Hormon wird bei Berührung ausgeschüttet und hilft uns beim Entspannen. Körperliche Nähe und Umarmungen tun uns gut, weil damit „safe & connect“ fühlbar wird. Und wenn wir uns sicher und verbunden fühlen, dann sind wir gegen Stress viel besser gewappnet und brauchen nicht so frühzeitig das Notprogramm „fight, flight or freeze“ anschalten.
Dein persönliches Wohlfühlprogramm
Wie kannst Du in der nächsten Zeit mehr „safe & connect“ erleben? Damit kannst Du sowohl bei Dir selbst anfangen als auch bei anderen Menschen.
- Safe & Connect mit dir selbst
Wann fühlst Du Dich zuhause bei dir selbst? Für manche von uns geht das am besten, wenn sie alleine sind und sich körperlich entspannen, zum Beispiel in der Badewanne oder bei einem gemütlichen Stündchen auf der Couch. Andere spüren sich am stärksten im Einklang mit sich, wenn sie körperlich aktiv sind, beim Sport oder auch vielleicht einfach bei einem Spaziergang, oder aber wenn sie im intensiven Austausch mit anderen Menschen sind. Schau einfach mal zurück auf die letzten Tage oder Wochen und frage dich, wann du dich „bei dir zuhause“ gefühlt hast. Und dann überlege Dir, wie Du mehr solcher Momente erleben kannst, gerade jetzt in den Wochen rund um Weihnachten, wenn es für die meisten von uns ruhiger wird.
- Safe & Connect mit anderen
Wem fühlst Du Dich innerlich nahe, unabhängig von der räumlichen Nähe? Welche Menschen spielen eine Rolle in Deinem Leben? Vielleicht fällt Dir bei dieser Frage auf, dass es eigentlich höchste Zeit ist, dass ihr mal wieder miteinander sprecht. Wie wäre es, wenn Du einfach mal spontan zum Telefonhörer greifst? Klar, online geht das auch – doch unser Gehirn reagiert einfach viel stärker auf direkten Kontakt. Am besten live und in Farbe, also im direkten Gespräch. Das Zweitbeste ist ein Telefonat. Und dann kommen die virtuellen Wege; sie sind immer noch besser als gar kein Kontakt, doch Oxytocin wird dabei kaum ausgeschüttet.Du kannst noch einen weiteren Schritt machen: Sag dem Anderen doch einfach mal, dass er Dir nahe steht. Sprich mit Deiner besten Freundin darüber, wie froh Du bist, dass es sie gibt. Finde Deine Worte für „safe & connect“ und drücke die Verbundenheit aus. Das fühlt sich nicht nur für Dich selbst gut an, sondern mit Sicherheit auch für Dein Gegenüber!
Gerade jetzt am Ende des Jahres, wenn es auf die Feiertage zugeht, schalten viele von uns einen Gang runter. Wie wäre es, wenn Du diese stillere Zeit nutzt, um mehr in Kontakt mit Dir und anderen zu kommen? Ich wünsche Dir viel Freude dabei!